Einleitung
Die Pflegedokumentation ist ein unverzichtbarer Bestandteil der täglichen Arbeit von Pflegefachkräften. Sie dient nicht nur der rechtlichen Absicherung, sondern auch der Qualitätssicherung und der kontinuierlichen Verbesserung der Pflegeprozesse. Ein bewährtes Instrument zur Strukturierung der Pflegedokumentation ist das PESR-Schema. In diesem Artikel erfahren Sie, wie das PESR-Schema funktioniert, welche Vorteile es bietet und wie es in der Praxis angewendet wird. Zudem stellen wir Ihnen ein Fallbeispiel vor, das die Anwendung des PESR-Schemas veranschaulicht.
Definition des PESR-Schemas
Das PESR-Schema ist eine Erweiterung des PES-Schemas und dient der präzisen Formulierung von Pflegeproblemen. Es steht für:
- Problem: Welches Problem liegt vor?
- Etiology (Ätiologie oder Ursache): Welche Einflussfaktoren spielen eine Rolle?
- Symptome: Wie äußert sich das Problem bei der Patientin oder dem Patienten?
- Ressourcen: Welche Fähigkeiten bestehen oder können erlernt werden, um das Problem zu beheben?
Durch die Ergänzung um die Komponente "Ressourcen" wird der Fokus nicht nur auf die Probleme, sondern auch auf die vorhandenen Stärken und Potenziale der Patientinnen und Patienten gelegt. Dies ermöglicht eine ganzheitliche und ressourcenorientierte Pflegeplanung.
Aufgabe des PESR-Schemas im Pflegeprozess
Das PESR-Schema spielt eine zentrale Rolle im Pflegeprozess. Es hilft, Pflegeprobleme systematisch zu erfassen und zu dokumentieren. Dadurch wird die Kommunikation zwischen den beteiligten Fachkräften erleichtert und die Pflegeplanung optimiert. Das PESR-Schema fördert zudem die interdisziplinäre Zusammenarbeit, da es auch von anderen Gesundheitsberufen wie Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Sozialarbeitern genutzt werden kann.
Formulierung eines Pflegeproblems
Die Formulierung eines Pflegeproblems nach dem PESR-Schema erfolgt in vier Schritten:
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Problemformulierung: Hier wird das Hauptproblem der Patientin oder des Patienten beschrieben. Es sollte spezifisch und messbar sein, um eine gezielte Pflegeplanung zu ermöglichen.
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Ätiologie (Ursache): In diesem Schritt werden die Ursachen und Einflussfaktoren des Problems analysiert. Eine detaillierte Analyse der Ursachen hilft, gezielte Maßnahmen zu entwickeln, die die zugrunde liegenden Probleme adressieren.
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Symptome: Die Symptome beschreiben, wie sich das Problem bei der Patientin oder dem Patienten äußert. Hierbei sollten sowohl objektive als auch subjektive Symptome erfasst werden, um ein vollständiges Bild des Pflegeproblems zu erhalten.
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Ressourcen: In diesem Schritt werden die vorhandenen Fähigkeiten und Potenziale der Patientin oder des Patienten erfasst. Ressourcen können sowohl interne (z.B. Motivation, körperliche Fähigkeiten) als auch externe (z.B. familiäre Unterstützung, Hilfsmittel) Faktoren umfassen.
Formulierung von Ressourcen und Pflegezielen
Die Formulierung von Ressourcen und Pflegezielen ist ein entscheidender Schritt im Pflegeprozess. Ressourcen sind die Fähigkeiten und Potenziale der Patientin oder des Patienten, die zur Lösung des Pflegeproblems beitragen können. Pflegeziele sollten nach dem SMART-Prinzip formuliert werden:
- Spezifisch: Das Ziel sollte klar und eindeutig formuliert sein.
- Messbar: Es sollte messbare Kriterien geben, um den Fortschritt zu überprüfen.
- Attraktiv: Das Ziel sollte für die Patientin oder den Patienten relevant und motivierend sein.
- Realistisch: Das Ziel sollte erreichbar sein.
- Terminiert: Es sollte ein klarer Zeitrahmen für die Zielerreichung festgelegt werden.
Ein Beispiel für ein SMART formuliertes Pflegeziel könnte sein: "Der Patient soll innerhalb von zwei Wochen in der Lage sein, mit einer Gehhilfe 50 Meter schmerzfrei zu gehen."
Maßnahmen einleiten
Nach der Formulierung der Pflegeprobleme und -ziele werden konkrete Maßnahmen geplant und eingeleitet. Diese Maßnahmen sollten klar definiert und regelmäßig evaluiert werden, um ihre Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Fragen, die bei der Formulierung von Maßnahmen beantwortet werden sollten, sind: "Was?", "Wie?", "Wie oft?" und "Wer?".
Beispielsweise könnten Maßnahmen zur Verbesserung der Mobilität eines Patienten nach einer Hüftoperation tägliche physiotherapeutische Übungen zur Stärkung der Hüftmuskulatur, Schmerzmanagement durch Medikation und die Anwendung von Kälte-/Wärmetherapie umfassen.
Pflegeprozess auswerten
Die regelmäßige Auswertung des Pflegeprozesses ist entscheidend für die Qualitätssicherung und die kontinuierliche Verbesserung der Pflege. Die Evaluierung sollte ordnungsgemäß gekennzeichnet sein, indem die evaluierende Person die Bestätigung oder Nichtanerkennung des Erreichens der Pflegeziele mit ihrem Kürzel und dem Datum versieht.
Fallbeispiel: Anwendung des PESR-Schemas
Um die Anwendung des PESR-Schemas zu veranschaulichen, stellen wir Ihnen ein Fallbeispiel vor:
Fallbeispiel: Herr Muster
Der 78-jährige Herr Muster wird nach einer Oberschenkelfraktur von der Notaufnahme auf die chirurgische Station eingewiesen. Der adipöse Patient hat einen diagnostizierten Diabetes Typ 2 und ist auf Station bekannt, da er unter Osteoporose leidet und es immer wieder zu Knochenbrüchen kommt. Herr Muster wohnt alleine, hat aber Kinder, die ihn regelmäßig besuchen. Sie raten ihm schon länger zu einer Diät zur Gewichtsreduktion, was der Patient aber verweigert, da er "sowieso schon wegen des Diabetes auf viel verzichten" müsse.
Nach ausführlicher Anamnese könnten folgende Punkte nach PESR-Schema berücksichtigt werden:
Spezifizierung | Problem | Ätiologie (Ursache) | Symptome | Ressourcen |
---|---|---|---|---|
akute Fraktur | Patient leidet unter Schmerzen, Bewegungseinschränkung | Z.n. Sturz, Osteoporose, Bewegungsmangel | Patient gibt starke Schmerzen an, befürchtet weitere Knochenbrüche | Patient ist gesund und kräftig, äußert den Wunsch, gesund zu werden und nach Hause zu gehen, zeigt Bereitschaft, sich unter Anleitung und mit Hilfestellung zu mobilisieren |
Osteoporose | Rezidivierende Knochenbrüche unter Osteoporose, schlechte Heilung | Alter | Herr Muster gibt Angst vor erneuten Brüchen an, zieht sich immer weiter gesellschaftlich zurück und geht kaum noch aus dem Haus | Patient ist bereit, eine Gehhilfe in Betracht zu ziehen und physiotherapeutische Übungen zur Stabilisierung des Ganges anzunehmen |
Übergewicht | Zusätzliche Belastung durch Übergewicht, Bewegungseinschränkung | Diabetes Typ 2, Ernährung, Lebensstil | Patient gibt verminderte Bewegungsmotivation an, verlässt auf Station kaum das Bett | Motivation zur Abnahme durch Angehörige, Interesse an Ernährungsberatung, wenn kein Verzicht, Bereitschaft zu Mobilisation unter Anleitung |
Pflegeziele und Maßnahmen für Herrn Muster
Auf Basis der formulierten Pflegeprobleme und Ressourcen können nun konkrete Pflegeziele und Maßnahmen für Herrn Muster festgelegt werden. Ein mögliches Pflegeziel könnte sein, dass Herr Muster innerhalb von sechs Wochen in der Lage ist, mit einer Gehhilfe 50 Meter schmerzfrei zu gehen. Um dieses Ziel zu erreichen, könnten folgende Maßnahmen eingeleitet werden:
- Tägliche physiotherapeutische Übungen: Diese Übungen sollen die Hüftmuskulatur stärken und die Beweglichkeit verbessern.
- Schmerzmanagement: Durch die Verabreichung von Schmerzmedikamenten und die Anwendung von Kälte-/Wärmetherapie sollen die Schmerzen gelindert werden.
- Ernährungsberatung: Herr Muster soll eine Ernährungsberatung erhalten, um seine Ernährung umzustellen und sein Gewicht zu reduzieren.
- Motivationsgespräche: Regelmäßige Gespräche mit Herrn Muster sollen seine Motivation zur Mobilisation und zur Einhaltung der Maßnahmen fördern.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit
Das PESR-Schema kann nicht nur von Pflegefachkräften, sondern auch von anderen Gesundheitsberufen wie Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Sozialarbeitern genutzt werden. Dies fördert eine ganzheitliche und koordinierte Pflegeplanung, die alle Aspekte der Patientenversorgung berücksichtigt. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit können die verschiedenen Fachkräfte ihre Expertise einbringen und gemeinsam an der Lösung der Pflegeprobleme arbeiten.
Schulung und Weiterbildung
Regelmäßige Schulungen und Workshops für Pflegekräfte zur Anwendung des PESR-Schemas können die Qualität der Pflegedokumentation und -planung erheblich verbessern. Dies könnte auch die Einführung von E-Learning-Modulen umfassen, die Pflegekräfte flexibel nutzen können. Durch kontinuierliche Weiterbildung bleiben die Pflegekräfte auf dem neuesten Stand und können das PESR-Schema effektiv in ihrer täglichen Arbeit anwenden.
Digitalisierung und Pflegedokumentation
Die Integration des PESR-Schemas in digitale Pflegedokumentationssysteme kann die Effizienz und Genauigkeit der Pflegeplanung erhöhen. Elektronische Gesundheitsakten (EHR) könnten so gestaltet werden, dass sie die Eingabe von PESR-Daten erleichtern und automatisch Pflegepläne generieren. Dies spart Zeit und reduziert die Fehlerquote bei der Dokumentation. Zudem können digitale Systeme die Auswertung und Analyse der Pflegedaten erleichtern und so zur kontinuierlichen Verbesserung der Pflegeprozesse beitragen.
Forschung und Weiterentwicklung
Evidenzbasierte Praxis ist ein wichtiger Aspekt der modernen Pflege. Studien zur Wirksamkeit des PESR-Schemas in verschiedenen Pflegekontexten können dazu beitragen, die Methode weiter zu verbessern und ihre Anwendung zu verbreiten. Innovationen wie die Entwicklung neuer Tools und Techniken zur Unterstützung der PESR-basierten Pflegeplanung, wie z.B. mobile Apps oder KI-gestützte Pflegedokumentationssysteme, können die Pflegepraxis revolutionieren.
Qualitätsmanagement
Regelmäßige Audits und Feedback-Schleifen können dazu beitragen, die Qualität der Pflegedokumentation und -planung kontinuierlich zu verbessern. Durch Benchmarking, also den Vergleich der Pflegeergebnisse zwischen verschiedenen Einrichtungen, die das PESR-Schema anwenden, können Best Practices identifiziert und verbreitet werden. Dies trägt zur Standardisierung und Verbesserung der Pflegequalität bei.
Schlussfolgerung
Das PESR-Schema bietet eine strukturierte und umfassende Methode zur Formulierung von Pflegeproblemen und zur Planung von Pflegeinterventionen. Durch die Berücksichtigung von Problemen, Ursachen, Symptomen und Ressourcen kann eine ganzheitliche und patientenzentrierte Pflege gewährleistet werden. Die kontinuierliche Schulung und Weiterbildung von Pflegekräften sowie die Integration des Schemas in digitale Systeme können die Anwendung und Wirksamkeit des PESR-Schemas weiter verbessern.