Menschen, die in Pflegegrad 4 eingestuft werden, sind in ihrer Alltagskompetenz und Selbständigkeit schwer beeinträchtigt. Im Alltag sind sie auf Unterstützung angewiesen. Auch Körperpflege, Mobilisation und Ernährung sind ohne Hilfe kaum mehr möglich. Betroffene sind die meiste Zeit des Tages entweder bettlägerig oder auf Hilfsmittel wie einen Rollstuhl angewiesen.
Auch wenn viele mit dem Begriff Pflegegrad vermutlich Senioren in Verbindung bringen, können auch jüngere Menschen auf Hilfe angewiesen sein, beispielsweise bei chronischen Erkrankungen wie Fibromyalgie oder CFS (chronisches Erschöpfungssyndrom).
Welche Voraussetzungen müssen bei Pflegegrad 4 gegeben sein?
Wird ein Antrag auf einen Pflegegrad gestellt, schickt die Pflegekasse in der Regel einen Gutachter. Bei gesetzlich Versicherten ist der Medizinische Dienst der Krankenversicherung MDK zuständig, bei privat Versicherten die MEDICPROOF GmbH. Auf dem Antrag muss kein angestrebter Pflegegrad angegeben werden.
Der Pflegegrad wird immer durch eine Bewertung und eine Begutachtung festgestellt. Das heißt, der Pflegegrad kann nicht direkt bei der Pflegekasse beantragt werden. Bei der Begutachtung wird festgestellt, wie selbstständig der Betroffene noch in der Lage ist, seinen Alltag zu meistern. Die Punkteverteilung ist standardisiert. Auf die Mobilität entfallen 10 Prozent, auf die kognitiven oder psychischen Fertigkeiten 15 Prozent, auf die Bewältigung der krankheitsbedingten Herausforderungen 20 Prozent, auf die Gestaltung des Alltagslebens und der sozialen Kontakte 15 Prozent und auf die Selbstversorgung 40 Prozent.
Betroffene mit Pflegegrad 4 leiden unter einer schweren Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und sind nicht in der Lage, ihren Alltag allein zu bewältigen. Der Pflegegrad 4 entspricht der alten Pflegestufe 2. Das Gesetz wurde im Januar 2017 geändert. Nach Paragraf 14, SGB XI ist ein Mensch dann pflegebedürftig, wenn er sich aufgrund körperlicher, kognitiver oder psychischer Beeinträchtigungen nicht ausreichend selbst helfen kann und nicht in der Lage erscheint diese Einschränkungen selbst auszugleichen.
Die Begutachtung muss übrigens nicht unbedingt persönlich durch den Gutachter erfolgen. In manchen Fällen reicht auch die Begutachtung nach Aktenlage, beispielsweise bei einer ambulanten Palliativpflege.
Die Voraussetzung für Pflegegrad 4 ist, dass bei der Begutachtung zwischen 70 und 90 Punkte ermittelt werden.
Der Zeitaufwand - ein nicht zu unterschätzender Faktor
Betroffene mit Pflegegrad 4 benötigen im Alltag viel Unterstützung. Neben den motorischen Fähigkeiten sind oft die kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt wie bei Demenz Die Pflegebedürftigen brauchen beispielsweise Hilfe bei der Körperpflege, beim Anziehen, beim Essen und beim Gang auf die Toilette – also bei ganz alltäglichen Dingen.
Ambulante Pflegedienste unterstützen Angehörige bei diesen täglichen Aufgaben oder übernehmen diese ganz. Ein bestimmter Zeitaufwand für die Pflege ist seit der Reform des Gesetzes keine Voraussetzung mehr für die Anerkennung. Bei den vorherigen Pflegestufen wurde die Einteilung aufgrund der geschätzten Pflegezeit vorgenommen. Bei den Pflegegraden stehen die noch vorhandenen Fähigkeiten im Fokus bei der Einstufung. Trotzdem kann es von Vorteil sein, ein sogenanntes Pflegetagebuch zu führen. Auch deswegen, um einen Überblick über den täglichen Pflegebedarf zu bekommen.
Welche Leistungen stehen dem Betroffenen zu?
Pflegegrad 4 erhält, wer seit mindestens fünf oder für insgesamt sechs Monate im Alltag schwerste Beeinträchtigungen hat. Menschen mit diesem Pflegegrad sind in ihren Alltagsfähigkeiten schwer eingeschränkt, von daher stehen ihnen sämtliche Leistungen zu, die von der Pflegeversicherung angeboten werden.
Bei einer vollstationären Pflege sind das 1.775 Euro pro Monat. Die Heimkosten hingegen belaufen sich im Schnitt auf 2.700 Euro bis 3.000 Euro im Monat. Die Differenz muss der Betroffene selbst tragen. Bleibt der Pflegebedürftige länger als 24 Monate im Pflegeheim, erhält die Person zusätzlich einen Pflegezuschlag in Höhe von 45 Prozent. Eine private Pflegezusatzversicherung kann helfen, das finanzielle Risiko bei einer eventuellen Pflegebedürftigkeit zu minimieren.
Weitere Leistungen bei Pflegegrad 4 - häusliche Pflege
Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 und deren Angehörige können den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro übrigens auch für eine Haushaltshilfe nutzen. Für die Tages- und Nachtpflege, allerdings nur bei häuslicher Pflege, beläuft sich der Zuschuss auf 1612 Euro im Monat. Das Pflegegeld beträgt 728 Euro im Monat. Zum Verbrauch notwendiger Pflegehilfsmittel werden mit bis zu 40 Euro im Monat bezuschusst, der Hausnotruf mit 25,50 Euro/Monat.
Was sind Pflegesachleistungen und wie hoch ist der Zuschuss?
Von Pflegesachleistungen spricht man, wenn man sich bei der häuslichen Pflege durch professionelle Pflegekräfte unterstützen lässt, beispielsweise durch eine ambulante Pflege. Das können beispielsweise körperbezogene Pflegemaßnahmen sein wie Ankleiden und Entkleiden, Körperpflege oder Hilfe beim Umlagern und/oder Aufstehen oder pflegerische Betreuungsmaßnahmen wie Hilfe bei der Bewältigung von psychosozialen Problemen sein.
Die Pflegesachleistungen werden mit 1.693 Euro im Monat bezuschusst.
Die Pflegesachleistungen werden vom jeweiligen Dienstleister direkt mit der Pflegekasse abgerechnet. Wird nicht der komplette Betrag ausgenutzt, besteht die Möglichkeit, den Restbetrag über sogenannte Kombinationsleistungen oder über den Umwandlungsanspruch anders zu nutzen. Der Restbetrag kann beispielsweise in Pflegegeld umgewandelt werden. Teilen sich eine Pflegekraft und ein pflegender Angehöriger die Aufgaben, ist auch eine Kombination aus Pflegesachleistungen und Pflegegeld möglich. Die Höhe des Pflegegeldes verringert sich dann jeweils um den Prozentsatz der genutzten Sachleistungen.
Medikamentengabe, Injektionen oder Verbandswechsel gehören hingegen zur häuslichen Krankenpflege, fallen unter SGB V und werden von einem Arzt verordnet.
Es ist kein Problem, dass beispielsweise eine externe Pflegekraft der ambulanten Pflege diese Aufgaben übernimmt, solange diese Aufwendungen in der Rechnung extra aufgeschlüsselt werden. Übrigens: Pflegesachleistungen erhalten nur die Pflegegrade zwei bis fünf.
Was ist die Verhinderungspflege?
Auch pflegende Personen benötigen ab und zu eine Auszeit und hier kommt die sogenannte Verhinderungspflege ins Spiel. Die Hauptpflegepersonen können sich stundenweise, tageweise oder auch wochenweise vertreten lassen. Die Pflegekasse übernimmt die nachgewiesenen Kosten für höchstens sechs Wochen im Jahr. Der Betroffene kann bei einer längeren Verhinderung in dieser Zeit auch vorübergehend in einem Pflegeheim untergebracht werden. Der Zuschuss beläuft sich bei Pflegegrad 4 auf 1612 Euro im Jahr.
Was ist die Kurzzeitpflege?
Kann ein Pflegebedürftiger vorübergehend nicht zu Hause betreut werden, besteht die Möglichkeit vorübergehend in einer Pflegeeinrichtung unterzukommen. Die Kurzzeitpflege muss bei der Pflegekasse beantragt werden. Bei Pflegestufe 4 beträgt der jährliche Zuschuss 1.774 Euro im Jahr. Übrigens: die Kurzzeitpflege und die Verhinderungspflege können miteinander kombiniert werden.
Was ist die Tagespflege?
Als Tagespflege bezeichnet man die teilstationäre Pflege, also die zeitweise Betreuung am Tag, beziehungsweise in der Nacht in einer Pflegeeinrichtung. In der Regel kommen Menschen in die Tagespflege, deren pflegende Angehörige berufstätig sind. Dort gibt es beispielsweise mehrere Mahlzeiten, ein Freizeit- und Beschäftigungsprogramm gemeinsam mit anderen Pflegebedürftigen und die teilstationäre Pflege wird bei Pflegegrad 4 mit 1.612 Euro bezuschusst.
Was bezahlt die Pflegekasse bei einer Wohnraumanspassung?
Damit die zu pflegende Person mit Pflegegrad 4 weiterhin zuhause gepflegt werden kann, wird in der Regel eine Anpassung des Wohnraums nötig werden. Kurz gesagt: Umbaumaßnahmen. Die Wohnräume müssen bei dieser Art der Beeinträchtigung barrierefrei sein, da Betroffene meistens in der Bewegung stark eingeschränkt sind. Ebenso müssen Türen verbreitert werden, damit auch ein Rollstuhl durch passt, gegebenenfalls ist die Installation eines Treppenlifts erforderlich. Auch das Bad muss an die Bedürfnisse angepasst werden. Oft wird eine ambulante Pflege durch solche Umbaumaßnahmen erst möglich. Die Pflegekasse bezuschusst den Umbau beziehungsweise die „Wohnraumanpassung“ in der Regel im Einzelfall mit bis zu 4.000 Euro – einmalig. Sollte sich der Pflegegrad ändern und es sind weitere Umbauten notwendig, dann kann ein neuer Antrag gestellt werden. Die Pflegekasse gewährt in diesem Fall unter Umständen noch einmal Zuschüsse.
Generell muss bei wohnumfeldverbessernden Maßnahmen eine von drei Kriterien erfüllt werden:
- Durch die Umbaumaßnahme wird die häusliche Pflege erst möglich gemacht
- Die Umbaumaßnahmen erleichtern die häusliche Pflege erheblich und verringern die Belastungen der pflegenden Angehörigen oder pflegenden Personen
- Durch die Umbaumaßnahmen wird eine selbständigere Lebensführung erst ermöglicht
Beispiele für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen sind: Einbau eines Treppenlifts, Einbau einer barrierefreien Dusche, Installation eines Badewannenlifts, Vebreiterungen von Türen oder Abbau von Stolperfallen in der Wohnung.
Was tun, wenn man mit der Einstufung in den Pflegegrad nicht einverstanden ist?
Es kommt immer wieder vor, dass pflegende Angehörige oder Betroffene mit der Entscheidung des Gutachters und der Pflegekasse bezüglich des Pflegegrades nicht einverstanden sind. Dann besteht die Möglichkeit einen Widerspruch einzulegen. Man hat einen Monat Zeit, es gilt das Datum, an dem das Schreiben zugegangen ist. Fehlt in dem Schreiben der Hinweis, dass die Möglichkeit besteht, Widerspruch einzulegen, dann beträgt die Frist sogar ein Jahr.
Die Pflegekasse stützt ihre Entscheidung in den meisten Fällen auf das Gutachten das vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen, MdK, (bei gesetzlich Versicherten) oder von der MEDICPROOF GmbH erstellt wurde. Dieses Gutachten wird in der Regel gemeinsam mit dem Bescheid verschickt. Falls das Schreiben fehlt, sollte es in jedem Fall angefordert werden. Das Dokument ist enorm wichtig, um den Pflegegrad zu begründen.
Der Widerspruch wird immer schriftlich eingelegt, am besten per Einschreiben mit Rückschein. E-Mails werden in diesem Fall nicht akzeptiert.
Wir der Widerspruch von der Pflegekasse nicht anerkannt, bleibt noch der Gang vor das Sozialgericht.